Wegweiser
Was vermeid ich denn die Wege,
Wo die andren Wandrer gehn,
Suche mir versteckte Stege
Durch verschneite Felsenhöhn?
Habe ja doch nichts begangen,
Daß ich Menschen sollte scheun –
Welch ein törichtes Verlangen
Treibt mich in die Wüstenein?
Weiser stehen auf den Straßen,
Weisen auf die Städte zu,
Und ich wandre sonder Maßen,
Ohne Ruh, und suche Ruh.
Einen Weiser seh ich stehen
Unverrückt vor meinem Blick;
Eine Straße muß ich gehen,
Die noch keiner ging zurück.
Wilhelm Müller
Aus der Sammlung Die Winterreise
Das schrieb der deutsche Dichter Johann Ludwig Wilhelm Müller, der am 7. Oktober 1794 in Dessau geboren wurde. Bekanntheit erreichte er durch seine Volkslieder. Franz Schubert vertonte einige der “77 Gedichte aus den nachgelassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten” als Liederzyklen unter den Titeln Winterreise und Die schöne Müllerin, wodurch der heutige Nachruhm des Dichters begründet wurde. Er war auch als Herausgeber und Redakteur tätig, unter anderem für die im Verlag Brockhaus erschienene Bibliothek deutscher Dichter des siebzehnten Jahrhunderts. Außerdem arbeitete er für verschiedene literarische Zeitschriften, darunter das Literarische Conversationsblatt und Hermes. Wilhelm Müller war Freimaurer. Im Juli 1820 wurde er in die Loge Minerva zu den drei Palmen in Leipzig aufgenommen